Anforderungen der Gerichte an Lüftungsverhalten des Mieters

Erforderliches Lüftungsverhalten des Mieters: weiteres Urteil zu den Anforderungen, die die Gerichte stellen

Ein Artikel von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen, zum Urteil des Landgerichts Gießen vom 02. April 2014 – 1 S 199/13 –, juris.

Ausgangslage:

Hat sich in der Mietwohnung Schimmelpilz gebildet, muss der Vermieter zunächst beweisen, dass keine baulichen Mängel zugrunde liegen. Der Mieter wiederum muss dann sein Lüftungsverhalten darlegen und beweisen. Ist das Lüftungsverhalten nicht ausreichend, kommt eine Mitverantwortlichkeit oder sogar eine ausschließliche Verantwortlichkeit für die folgende Schimmelpilzbildung in Betracht. Das gilt umso mehr dann, wenn Baumängel ausgeschlossen werden können. Doch welche Anforderungen sind an das Lüftungsverhalten konkret zu stellen? Dazu hat das Landgericht Gießen einige grundsätzliche Ausführungen gemacht, die ich im Ergebnis für gut nachvollziehbar halte. Vorliegender Fall beschäftigt sich vor allem mit den Anforderungen an das wechselseitige Verhalten von Vermieter und Mieter bei Änderung der tatsächlichen Situation durch Modernisierungen des Vermieters (Einbau dichtschließender Fenster).

Notwendige Vorkehrungen bei Einbau neuer, dichtschließenden Fenster:

Es ist grundsätzlich Sache des Vermieters, beim Einbau neuer, dichtschließender Fenster die notwendigen Vorkehrungen gegen Feuchtigkeit zu treffen. Wenn der Vermieter trotz des Einbaus von dichtschließenden Isolierglasfenster keine Lüftungsanlage einbaut und auch keine sonstigen Vorkehrungen gegen Feuchtigkeit schafft und den Mieter auch nicht auf den erhöhten Lüftungsbedarf hinweist, kann dem Mieter die Entstehung von Feuchtigkeitsschäden grundsätzlich nicht angelastet werden.

Kommentar: Auch ein Hinweis würde nur dann genügen, wenn das erforderliche Lüftungsverhalten zumutbar ist.

Lüftungsverhalten:

Sofern der Vermieter bei Vertragsschluss keinen (vom Mieter jedenfalls stillschweigend akzeptierten) Hinweis auf ein notwendiges, gesteigertes Heiz- und Lüftungsverhalten erteilt, ist in der Regel von einem vertraglich geschuldeten Lüftungsverhalten in Gestalt von zweimaligem (morgens/abends) Stoß- oder Querlüften für jeweils ca. 10 Minuten auszugehen.

Kommentar: 10 Minuten sind meiner Ansicht nach zu viel. Kein Mensch lüftet länger als 5 Minuten. Dies ist auch gar nicht notwendig oder sinnvoll. Es wird gelüftet, um die warme, viel Feuchtigkeit transportierende Luft nach draußen und die kalte, trockene Luft nach drinnen zu transportieren. Dies ist nur bei einem relativ hohen Temperaturunterschied sinnvoll. Wer 18° warme Luft gegen 18° warme Luft austauscht, transportiert relativ wenig Feuchtigkeit nach draußen. Ist aber der Temperaturunterschied sehr groß, führt schon ein fünfminütiges komplettes Durchlüften der Wohnung zum gewünschten Ergebnis. Interessanterweise habe ich noch nie erlebt, dass in einem Gerichtssaal auch nur ansatzweise den eigenen Vorschriften entsprechend gelüftet wurde. Immerhin aber: die Anzahl der notwendigen Lüftung halte ich begrenzt auf zwei pro Tag für nachvollziehbar.

Die Quelle:

LG Gießen, Urteil vom 02. April 2014 – 1 S 199/13 –, juris

Fachanwaltstipp Mieter:

Im vorliegenden Fall hat der Mieter Glück gehabt. Nicht immer sind Sachverständigengutachten so eindeutig und die Urteile so praxisnah. Vor diesem Hintergrund ist gerade beim Thema Mietminderung Vorsicht geboten. Wer die Miete überhöht mindert, riskiert eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs und damit den Bestand der Wohnung. Wie man richtig vorgeht, erläutere ich auf der unten beschriebenen Internetseite für Mieter.